Flüssigmist
Ganzes Dokument: Datenblatt
Flüssigmist
Charakterisierung, Grenzwerte, Einstufungen
Flüssigmist wird auch als Gülle bezeichnet und ist ein charakteristisch riechendes Kot-/Harn-Gemisch mit einem Anteil an Wasser und geringen Beimengungen an Futterresten und Einstreu.
Gülle setzt durch biologische Prozesse gefährliche Gase wie z.B. Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Methan und Kohlendioxid frei.
In GisChem wird Flüssigmist nur als einer der Rohstoffe für die Biogaserzeugung betrachtet. Die Gefahren und der Umgang mit Gülle in landwirtschaftlichen Betrieben sind daher nicht Gegenstand dieses Datenblattes.
Zu diesem Thema wird auf entsprechende Publikationen z.B. der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (z.B. Arbeitssicherheit aktuell, "Flüssigmist") verwiesen.
SchwefelwasserstoffArbeitsplatzgrenzwert (
AGW): 7,1 mg/m³ bzw. 5 ml/m³ (ppm)
Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor (ÜF) 2; Kategorie für Kurzzeitwerte (I)
Der messtechnische Mittelwert über 15 Minuten darf den 2-fachen
AGW nicht überschreiten.
Bemerkung Y (
TRGS 900): Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung der Grenzwerte (
AGW und ggf.
BGW) nicht befürchtet zu werden.
Ammoniak (Gas)Arbeitsplatzgrenzwert (
AGW): 14 mg/m³ bzw. 20 ml/m³ (ppm)
Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor (ÜF) 2; Kategorie für Kurzzeitwerte (I)
Der messtechnische Mittelwert über 15 Minuten darf den 2-fachen
AGW nicht überschreiten.
Bemerkung Y (
TRGS 900): Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung der Grenzwerte (
AGW und ggf.
BGW) nicht befürchtet zu werden.
KohlendioxidArbeitsplatzgrenzwert (
AGW): 9100 mg/m³ bzw. 5000 ml/m³ (ppm)
Spitzenbegrenzung: Überschreitungsfaktor (ÜF) 2; Kategorie für Kurzzeitwerte (II)
Das Produkt aus Überschreitungsfaktor und Überschreitungsdauer muss eingehalten werden: ÜF 2 x 15 min = 30 min (berechne Produkt (tatsächliche Überschreitungsfaktor) x min). Max. 4 Überschreitungen pro Schicht, max. 60 min.
WGK: allgemein wassergefährdend
Wirtschaftsdünger, insbesondere Gülle oder Festmist, gelten gemäß §3(2) der
AwSV als awg und werden nicht in Wassergefährdungsklassen eingestuft.
Explosionsgefahren / Gefährliche Reaktionen
Dämpfe mit durch Gärung gebildetem Methan sind leichter als Luft und bilden mit Luft explosionsfähige Atmosphäre.
Beim Umrühren, Pumpen und Bewegen von Flüssigmist werden in besonderem Ausmaß Gase wie z.B. Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid, Ammoniak und Methan (Vergiftungs-, Erstickungs- und Explosionsgefahr) freigesetzt.
Gesundheitsgefährdung
Einatmen von Gas kann zu Gesundheitsschäden führen.
Vorübergehende Beschwerden wie Benommenheit, Müdigkeit, Ohrensausen, Übelkeit können auftreten.
Bei höheren Konzentrationen besteht Erstickungsgefahr.
Technische und Organisatorische Schutzmaßnahmen
Freisetzung von Dämpfen vermeiden. Insbesondere an Ab-, Umfüll- und Mischarbeitsplätzen
funktionstüchtige Absaugung sicherstellen (siehe Mindeststandards) oder im Freien arbeiten.
Besonders darauf achten, dass freie Öffnungen nicht zugänglich sind bzw. Abluftrohre nur in Überkopfhöhe münden.
Behälter nicht offen stehen lassen.
Beim Ab- und Umfüllen Verspritzen und Nachlauf vermeiden, Dichtheit gewährleisten.
Bei Arbeiten in Behältern und engen Räumen (
Befahren) sind besondere Schutzmaßnahmen zu beachten.
Brand- und Explosionsschutz
Es ist sicherzustellen, dass die Anlage
technisch dicht ist. Kann dies nicht dauerhaft gewährleistet werden, sind weitere Maßnahmen erforderlich, z.B. technische Lüftung, Gasmess- und -warngeräte.
Explosionsgefährdete Bereiche in
Zonen einteilen und im
Explosionsschutzdokument ausweisen.
Bereiche, in denen mit dem Auftreten explosionsfähiger Atmosphäre zu rechnen ist, sind z.B. offene Umfüll- und Probenahmestellen.
Arbeitsbereich abgrenzen! Verbotszeichen P003 "Keine offene Flamme; Feuer, offene
Zündquelle und Rauchen verboten" und Warnzeichen D-W021 "Warnung vor explosionsfähiger Atmosphäre" anbringen!
Von
Zündquellen fern halten, nicht rauchen, offene Flammen vermeiden.
Schlagfunken und Reibfunken vermeiden.
Nur
explosionsgeschützte Geräte entsprechend der
Zoneneinteilung verwenden.
Erden aller Teile, die sich gefährlich aufladen können. Prüffristen für Erdungseinrichtungen nach den gesetzlichen bzw. betrieblichen Erfordernissen, z.B. unter Berücksichtigung der Korrosion, festlegen.
Arbeiten mit Zündgefahr ( z.B. Feuerarbeiten, Heißarbeiten, Schweißen, insbesondere bei Wartung und Reparatur) nur mit schriftlicher Erlaubnis ausführen.
Hygienemaßnahmen
Einatmen von Dämpfen und Aerosolen vermeiden!
Berührung mit Augen, Haut und Kleidung vermeiden!
Vor Pausen und nach Arbeitsende Hände und andere verschmutzte Körperstellen gründlich reinigen.
Hautpflegemittel nach der Hautreinigung am Arbeitsende bzw. vor längeren Pausen verwenden (rückfettende Creme).
Straßen- und Arbeitskleidung getrennt aufbewahren gemäß
Gefährdungsbeurteilung!!
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz: Bei Spritzgefahr: Gestellbrille.
Handschutz: Gegen mechanische Beanspruchung z.B. beschichtete Handschuhe, ansonsten Handschutz auf andere Gefahrstoffe, mit denen gegebenenfalls umgegangen wird, abstimmen.
Bei empfindlicher Haut kann Hautschutz empfehlenswert sein, z.B. gerbstoffhaltige Hautschutzmittel.
Atemschutz: Bei Überschreitung des Grenzwertes oder Ausnahmesituationen, wie z.B. Schadensfall ist Atemschutz erforderlich.
Bei Grenzwertüberschreitung nur umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät.
Es wird empfohlen, Schlauch- oder Leichtschlauchgeräte zu verwenden. Hierfür bestehen keine Tragezeitbegrenzungen.
Filtergeräte sind unwirksam, Erstickungsgefahr durch Sauerstoffmangel.
Arbeitsmedizinische Vorsorge
Bei Tätigkeiten mit Biogas ist, sofern eine Exposition besteht, arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten (
Angebotsvorsorge).
Dazu können die folgenden DGUV Empfehlungen herangezogen werden:
Schwefelwasserstoff
Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung (z.B. Umgang mit Risikomaterial).
Falls aufgrund der
Gefährdungsbeurteilung das Tragen von Atemschutz notwendig ist, ist arbeitsmedizinische Vorsorge ggf. nach der DGUV Empfehlung Atemschutzgeräte durchzuführen.
Beschäftigungsbeschränkungen
Jugendliche ab 15 Jahren dürfen hiermit nur beschäftigt werden:
wenn dieses zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich, der Arbeitsplatzgrenzwert unterschritten und die Aufsicht durch einen Fachkundigen sowie betriebsärztliche oder sicherheitstechnische Betreuung gewährleistet ist.
Schadensfall
Bei der Beseitigung größerer Mengen von verschüttetem Produkt persönliche Schutzausrüstung tragen: auf jeden Fall Atemschutz, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Schadgaskonzentration unterhalb der zulässigen Grenzwerte bleibt.
Nach Verschütten mit viel Wasser verdünnen und der Abwasserbehandlung zuführen.
Bei Brand werden durch Erhitzung gefährliche Gase frei (z.B. Schwefelwasserstoff, Methan, Ammoniak).
Produkt ist selbst nicht brennbar, im Brandfall Löschmaßnahmen auf Umgebung abstimmen. Bei Methanfreisetzung gilt jedoch:
Geeignete Löschmittel: Wasser (im Sprühstrahl, keinen Vollstrahl einsetzen), Kohlendioxid.
Brandbekämpfung größerer Brände nur mit umgebungsluftunabhängigem Atemschutzgerät!
Erste Hilfe
Nach Einatmen: Verletzten unter Selbstschutz aus dem Gefahrenbereich bringen.
Bei Atemnot Sauerstoff inhalieren lassen.
Bei Atemstillstand künstliche Beatmung nach Möglichkeit mit Beatmungsgerät, auf jeden Fall Stoffkontakt bzw. Einatmen des Stoffes/Produktes vermeiden (Selbstschutz).
Entsorgung
Eine Entsorgung von Flüssigmist ist i.d.R. nicht nötig, da sämtlicher Flüssigmist in der Biogasanlage verwertet wird.
Für eine Ausbringung von Flüssigmist auf Felder etc. sind Bestimmungen wie das Düngemittelgesetz und eine Vielzahl weiterer Bestimmungen zu beachten. Diese Verwendung ist nicht Gegenstand des GisChem-Datenblattes.
Lagerung
Behälter dicht geschlossen an einem kühlen, gut gelüfteten Ort lagern.
Da Faulgase gebildet werden, ist das gefahrlose Entweichen aus dem Behälter sicherzustellen. Lagerzeiten möglichst kurz halten.
Geschlossene Gruben müssen an gegenüberliegenden Seiten unverschließbare Entlüftungsöffnungen ins Freie haben (bei Gruben und Kanälen in Gebäuden sind andere, technische Lüftungsmaßnahmen erforderlich).
Bei der Arbeit in Silos, Gruben o.ä. (
Befahren) sind besondere Schutzmaßnahmen zu beachten.
Offene Güllegruben, die tiefer als 1 m sind, müssen gegen Hineinstürzen gesichert werden. Dies kann durch eine geschlossene, nicht durchsteigbare Umwehrung von 1,80 m Höhe geschehen oder durch Abdeckung.
Folien und ähnliche Abdeckungen gelten nicht als Sicherung gegen Hineinstürzen von Personen.
Offene Gruben, die bis zu einem Meter tief sind, können auch durch andere Sicherungsmaßnahmen wie z.B. eine flache Abböschung gegen Hineinstürzen gesichert werden.
Entnahme-, Einsteig- oder ähnliche Öffnungen müssen ebenfalls gesichert werden, z.B. durch einen trittfesten und erforderlichenfalls befahrbaren Schutzrost.
Gruben mit Aufnahmeeinrichtungen, in die die Ladung von Fahrzeugen oder Transportbehältern entleert werden, müssen mit einem Sockel und einer nicht abnehmbaren Brustwehr versehen sein.
Gruben und Kanäle, in die üblicherweise eingestiegen wird, müssen Einrichtungen haben, die ein gefahrloses Einsteigen ermöglichen. Dies können z.B. Steigleitern, Steigeisengänge oder steckbare Haltestangen sein.
Die Öffnungen müssen so groß sein, dass die Rettung Verunglückter möglich ist. Die Öffnungsweite sollte mindestens 80 cm betragen.
Zum sicheren Abheben und Wiedereinsetzen von Schachtabdeckungen sind geeignete Werkzeuge wie z.B. Deckelheber zu benutzen.
Bedienstände von Rühr-, Pump- und Spülwerken dürfen nicht unter Flur angebracht werden. Sind diese in geschlossenen Räumen, dürfen sie keine Öffnung zu Behältern und Kanälen haben. Betriebsanweisungen müssen dort dauerhaft angebracht sein.
Anforderungen des Wasserrechts an HBV- und LAU-Anlagen (s. auch
Checkliste-Wasserrecht):
Anlagen zum Umgang mit allgemein wassergefährdenden Stoffen werden keiner Gefährdungsstufe zugeordnet.
Abhängig vom Rauminhalt der Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gelten Anforderungen wie die Pflicht zur Anzeige bei der unteren Wasserbehörde,
Fachbetriebspflichten oder die Prüfung durch Sachverständige.
Biogasanlagen, einschließlich der zu ihnen gehörenden Anlagenteile dürfen nur von Fachbetrieben errichtet, von innen gereinigt, instand gesetzt und stillgelegt werden.
Nähere Informationen hierzu erhalten Sie von Ihrer zuständigen Unteren Wasserbehörde, Sachverständigenorganisationen, Güte- und Überwachungsgemeinschaften oder von nach
WHG zertifizierten Fachbetrieben.
Da im Wasserrecht der
Besorgnisgrundsatz gilt, kann die zuständige Behörde Anforderungen stellen, die über die hier genannten Regelungen hinausgehen. Insbesondere für Wasserschutzgebiete gelten strengere Auflagen.