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Dicyandiamid

Ganzes Dokument: Datenblatt


Dicyandiamid


Einstufung GHS

GHS-Einstufung

Eine Einstufung und Kennzeichnung nach GHS liegt nicht vor, eine Her­steller­einstufung ist ebenfalls nicht bekannt.



Charakterisierung, Grenzwerte, Einstufungen

Dicyandiamid wird auch als Cyanguanidin, 1-Cyanguanidin oder DICY bezeichnet.
Dicyandiamid ist ein weißes, fast geruchloses Pulver, das mäßig in Wasser aber löslich in Ethanol, Ethylenglycol, Dimethylfomamid oder Dimethylacetamid ist.
Der Stoff findet Verwendung als Härter für Epoxidharzkleber, zur Herstellung von Kunststoffen, Düngemitteln, Pharmazeutika und technischen Chemikalien.
Dicyandiamid wurde früher in Verbindung mit starken Oxidationsmitteln als Sprengstoff verwendet.
Mindestzündtemperatur Staubwolke: >850 °C
Mindestzündtemperatur Staubschicht: >450 °C
Schmelzpunkt: 208 °C bis 210 °C
Untere Explosionsgrenze: ca. 100-125 g/m³


TA Luft (2021) 5.2.1 Gesamtstaub (zur Umwelt-VwV von 2021):
Die im Abgas enthaltenen staubförmigen Emissionen dürfen den Massenstrom 0,20 kg/h oder die Massenkonzentration 20 mg/m³ nicht überschreiten.
Auch bei Einhaltung oder Unterschreitung eines Massenstroms von 0,20 kg/h darf im Abgas die Massenkonzentration 0,15 g/m³ nicht überschritten werden.
Bei Emissionsquellen, die den Massenstrom 0,40 kg/h überschreiten, darf im Abgas die Massenkonzentration 10 mg/m³ nicht überschritten werden.
WGK: 1 (schwach wassergefährdend), Kenn-Nr.: 247


Bei der WGK handelt es sich um eine gemäß AwSV im Bundesanzeiger veröffentlichte Angabe.



Explosionsgefahren / Gefährliche Reaktionen

Die Bildung explosionsfähiger Staub-Luft-Ge­mische ist möglich. Diese Produkte besitzen die Staubexplosionsklasse St 1.
Die Wahrscheinlichkeit der Entzündung der Staub-Luft-Gemische ist aufgrund einer sehr hohen Min­destzündenergie unter praxisrelevanten Bedingungen sehr gering.
Bei sehr hohen Zündenergien, wie z.B. of­fenen Flam­men oder Schweißfunken, können die Staub-Luft-Gemische zur Explosion gebracht werden.
Werden Oberflächen mit Temperaturen ab 450 °C durch Stäube eingeschüttet, können sich Glimmnester bilden, die zur Zündquelle werden können.
Wird ein Lösemittel in einem Behälter vorgelegt und Dicyanamid staubförmig zudosiert, können Gemische aus Staub und Lösemitteldampf (hybride Gemische) entstehen.
Auch wenn die Konzentration einer oder mehrerer Brenn­stoffkomponenten unter deren unterer Explosions­grenze liegt, kann das hybride Gemisch explosions­fähig sein.
Mit elektrostatischen Aufladungen ist zu rechnen beim Ausschütten, z.B. auf Packmittel, beim pneumatischen Fördern und bei fehlender Erdverbindung ableitfähiger und leitfähiger Gegenstände.
Reagiert mit starken Säuren und starken Laugen unter hef­tiger Wärme­entwicklung.
Rea­giert un­ter hef­tiger Wärme­entwicklung z.B. mit Epoxidharzen.
Bildet bei Kontakt mit starken Oxidationsmitteln explo­sions­fähige Ge­mische, die teilweise als Sprengstoffe gelten.
Zersetzt sich in wässriger Lösung bei Erhitzen ab ca. 80°C in gefährliche Gase (Ammoniak).
Zersetzt sich bei Erhitzen/Verbrennen in ge­fähr­liche Gase (z.B. Ammoniak, Cyan­wasser­stoff, Kohlen­monoxid und Stick­oxide).



Technische und Organisatorische Schutzmaßnahmen

Beim Ab-/Umfüllen bzw. beim Mischen der Komponenten Staubent­wicklung ver­meiden. Ins­be­sondere an diesen Arbeits­plätzen funktionstüchtige Absaugung sicher­stellen (siehe Min­dest­standards).
Absauganlage in regelmäßigen Ab­stän­den in Ab­hän­gigkeit von der Ver­schmut­zung rei­nigen.
Gebinde nicht offen stehen lassen.
Die Höhe von Abwurf-, Füll- und Schütt­stellen möglichst gering halten.
Reaktionsfähige Stoffe fern hal­ten bzw. nur kon­trolliert zu­geben.
Sackentleergeräte verwenden und entleerte Säcke in Sackverdichtungs­an­lage ge­ben.
Bei Arbeiten in Behältern und engen Räu­men (Befahren) sind besondere Schutz­maßnahmen zu be­achten.



Gesundheitsgefährdung

Ein­atmen, Ver­schlucken oder Haut­kon­takt kann zu Ge­sund­heits­schä­den führen.
Kann Atem­wege, Augen und Haut reizen.



Brand- und Explosionsschutz

Staubablagerung und Staubaufwirbelung ver­meiden, Staub­ablagerungen sofort entfernen.
Es ist sicherzustellen, dass die Anlage technisch dicht ist. Kann dies nicht dauerhaft realisiert werden, sind weitere technische Maßnahmen erforderlich, z.B. technische Lüftung.
Bereiche, in denen mit dem Auftreten explosi­onsfähiger Staub-Luft-Gemische zu rechnen ist, können z.B. beim pneumatischen Fördern oder Mahlen auftreten.
Explosionsgefährdete Bereiche in Zonen einteilen und im Explosionsschutzdokument aus­weisen.
Von Zündquellen fern halten, nicht rauchen, offene Flammen ver­meiden.
Arbeitsbereich abgrenzen! Verbots­zeichen P003 "Keine offene Flamme; Feuer, offene Zündquelle und Rauchen verboten" und Warnzeichen D-W021 "Warnung vor explo­sionsfähiger Atmosphäre" anbringen!
Nur explosionsgeschützte Geräte entsprechend der Zonen­ein­teilung ver­wenden.
Bei Reinigungsarbeiten Staubaufwirbe­lungen ver­meiden. Feucht reinigen oder saugen.
Staubablagerungen nur mit In­dustriestaub­saugern oder Kehr­saug­maschinen auf­neh­men, die für die Zone und für entzünd­bare Stäube geeignet sind.
Elektrostatisch ableitfähige oder leitfähige Behälter verwenden oder solche, die sich nicht gefährlich aufladen können.
Rohre, Schlauchleitungen und Armaturen so auswählen und verwenden, dass Ver­bin­dungen zur Erde nicht unterbrochen werden und keine Gleitstiel­büschel­entladungen entstehen können.
Arbeiten mit Zündgefahr ( z.B. Feuerarbeiten, Heißarbeiten, Schweißen, insbesondere bei Wartung und Repa­ratur) nur mit schrift­licher Erlaubnis aus­führen.



Hygienemaßnahmen

Einatmen von Stäuben vermeiden!
Berührung mit Augen, Haut und Klei­dung ver­mei­den!
Vor Pausen und nach Arbeits­ende Hän­de und andere ver­schmutzte Körper­stellen gründ­lich rei­nigen.
Haut­pflege­mittel nach der Hautrei­ni­gung am Arbeits­ende bzw. vor längeren Pausen ver­wen­den (rück­fetten­de Creme).
Arbeitskleidung nicht ausschütteln oder ab­blasen - je­doch häufig reinigen!



Persönliche Schutzmaßnahmen

Augenschutz: Ge­stell­brille mit Seiten­schutz.
Handschutz: Gegen mechanische Beanspruchung z.B. beschichtete Handschuhe, ansonsten Hand­schutz auf andere Gefahrstoffe, mit denen gege­benenfalls umgegangen wird, abstimmen.
Bei empfindlicher Haut kann Hautschutz empfehlenswert sein, z.B. gerb­stoff­haltige Haut­schutz­mittel.
Atemschutz: Das Tragen von Atemschutz wird z.B. bei Reparaturarbeiten oder unkontrollierten Betriebs­zu­stän­den empfohlen, z.B. Voll­mas­ke/Halb­maske/filtrierende Halbmaske mit:
Partikelfilter P2 (weiß)
Es wird empfohlen, Filtergeräte mit Gebläse und Helm oder Haube einzusetzen (z.B. TH2P). Hierfür bestehen keine Tragezeitbegrenzungen.
Körperschutz: Staubdichte Schutz­kleidung.



Arbeitsmedizinische Vorsorge

Falls aufgrund der Gefährdungsbeurteilung das Tra­gen von Atemschutz notwendig ist, ist arbeits­medizinische Vorsorge ggf. nach der DGUV Empfehlung Atem­schutz­geräte durchzuführen.



Beschäftigungsbeschränkungen

Jugendliche ab 15 Jahren dürfen hiermit nur beschäftigt werden:
wenn dieses zum Erreichen des Ausbildungszieles er­forderlich, der Arbeitsplatzgrenzwert unterschritten und die Auf­sicht durch einen Fachkundigen sowie betriebs­ärztliche oder sicherheitstechnische Betreuung gewähr­leistet ist.



Schadensfall

Bei der Beseitigung von ausge­lau­fenem/verschüttetem Produkt immer persön­liche Schutz­aus­rüs­tung tra­gen: Auf jeden Fall Schutz­brille und Hand­schuhe.
Verschüttetes Produkt unter Staub­ver­meidung auf­nehmen und wie unter Ent­sorgung be­schrie­ben ver­fahren.
Produkt ist brennbar, doch nur kurzes An­brennen und rasches Aus­löschen von selbst.
Geeignete Lösch­mittel: Schaum, Lösch­pulver, Kohlen­dioxid oder Wasser­nebel. Nicht zu ver­wenden: Wasser im Vollstrahl!
Bei Anwendung von Kohlendioxid als Lösch­mittel für Fest­stoffe be­steht Rück­zündungsgefahr.
Bei Brand ent­stehen ge­fähr­liche Gase/Dämpfe (z.B. Ammoniak, Cyan­wasser­stoff, Stick­oxide und Kohlen­monoxid).
Bei Brand in der Um­gebung Be­hälter mit Sprüh­wasser kühlen.
Entweichende Dämpfe mit Sprüh­wasser nieder­schlagen. Anschließend möglichst schnelle Rei­nigung, da Kor­rosi­ons­gefahr.
Brandbekämpfung nur mit umge­bungs­luftunab­hängigem Atem­schutz­gerät .
Das Ein­dringen in Boden, Gewäs­ser und Kanali­sation muss verhindert werden.



Erste Hilfe

Nach Augenkontakt: Augen unter Schutz des un­ver­letzten Auges sofort ausgiebig (mind. 10 Minuten) bei geöffneten Augenlidern mit Wasser spülen.
Steriler Schutzverband.
Augenärztliche Behandlung.
Nach Hautkontakt: Verun­reinigte Klei­dung, auch Unterwäsche und Schuhe, so­fort aus­ziehen; auf Selbstschutz achten.
Haut mit viel Was­ser spülen.
Nach Einatmen: Verletzten unter Selbstschutz aus dem Ge­fahren­bereich bringen.
Nach Verschlucken: Sofortiges kräftiges Ausspülen des Mun­des.
Wasser in kleinen Schlucken trin­ken lassen (Verdünnungseffekt).



Entsorgung

Auch kleine Mengen nicht über die Ka­na­lisation oder Mülltonne entsorgen.
Der sechsstellige Abfallschlüssel ist nach AVV bran­chen-, pro­zessart-, herkunfts- oder abfall­ar­ten­spez­ifisch zu­zu­ordnen.
Er ist gegebenenfalls mit der örtlich zuständigen Behörde (z.B. Stadtverwaltung oder Landratsamt) abzustimmen. Im Folgenden werden mögliche Zuordnungen gegeben:
Stoff/Produkt-Abfälle aus der HZVA von orga­nisch-che­mischen Pro­zessen sind dem/n Kapitel/n "07" zuzuordnen.
Stoff/Produkt-Abfälle aus der HZVA von Kleb­stoffen, Dicht­massen sind dem/n Kapitel/n "0804" zuzuordnen.



Lagerung

Behälter dicht ge­schlossen an einem kühlen, gut ge­lüfteten Ort lagern.
Zusammenlagerungsbeschränkungen (nach Lager­klassen der TRGS 510; die Zahlen in Klammern geben die jeweiligen Lagerklassen an):
Dieser Stoff/dieses Produkt gehört zur Lagerklasse 11.
Separate Lagerung von explosiven Stoffen (1), stark oxidierend wirkenden Stoffen (5.1A), ansteckungsgefährlichen (6.2) und radioaktiven Stoffen (7).
Für die Zusammenlagerung mit sonstigen explosionsgefährlichen Stoffen (4.1A), Ammoniumnitrat (5.1C) und organischen Peroxiden (5.2) sind weitere Regelungen zu beachten.
Zusammenlagerung ist mit oxidierend wirkenden Stoffen (5.1B) bis 1 t Gesamtmenge ohne Einschränkungen erlaubt, darüber gelten weitere Anforderungen.
Die Zusammenlagerung ist mit Stoffen, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln (4.3) erlaubt, wenn keine wesentliche Gefährdungserhöhung eintreten kann.
Dies kann durch Getrenntlagerung erreicht werden.
Die Zusammenlagerung mit Gasen (2A) ist unter folgenden Bedingungen erlaubt:
es werden maximal 25 Gasflaschen gelagert und diese sind durch eine mindestens 2 m hohe Wand aus nichtbrennbaren Baustoffen abgetrennt und zwischen der Wand und anderen brennbaren Lagergütern wird ein Mindestabstand von 5 m eingehalten.
Materialien, die eine Entstehung eines Brandes begünstigen oder Brände schnell übertragen können, wie z.B. Papier, Textilien, Holz, dürfen im Lagerabschnitt nicht gelagert werden.
Ausnahme: sie bilden zur Lagerung und dem Transport eine Einheit mit den Behältern.
Zusammenlagerungsbeschränkungen müssen nicht beachtet werden, wenn insgesamt nicht mehr als 400 kg Gefahrstoffe gelagert werden, davon höchstens 200 kg je Lagerklasse.
Generell ist eine Zusammenlagerung verboten, wenn dies zu einer wesentlichen Gefährdungserhöhung führen würde, auch wenn die Stoffe in derselben Lagerklasse sind.
Dies ist gegeben, wenn sie z.B. unterschiedliche Löschmittel benötigen, unterschiedliche Temperatur­bedingungen erfordern, sie miteinander unter Bildung entzündbarer oder giftiger Gase oder unter Entstehung eines Brandes reagieren.
In Lägern, in denen mehr als 200 kg an brennbaren Gefahrstoffen gelagert werden, müssen zusätzliche Maßnahmen zum Brandschutz getroffen werden.
In der Regel liegt bei einer Lagerung von mehr als 200 kg brennbarer Stoffe eine gefahrdrohende Menge vor, bei Feststoffen der Lagerklasse 11 ist von einer größeren Menge auszugehen.
Anforderungen des Wasserrechts an HBV- und LAU-Anlagen (s. auch Checkliste-Wasserrecht):
Anlagen mit bis zu 100 m³ oder 100 Tonnen werden der Gefährdungsstufe A zugeordnet.
Das Rückhaltevolumen muss so groß sein, dass aus­tretende Stoffe bis zum Wirksam­werden geeig­neter Sicherheits­vorkehrungen (z.B. Abdichten des Lecks, Absperren von Betriebs­teilen) aufge­fangen werden können.
Abhängig vom Raum­inhalt der Anlage zum Umgang mit wasser­gefährdenden Stoffen gelten Anforderungen wie die Pflicht zur Anzeige bei der unteren Wasser­behörde, Fachbetriebspflichten oder die Prüfung durch Sach­verständige.
Bei Gefährdungsstufe A entfällt die Anzeigepflicht, dennoch sind die Anlagen innerbetrieblich zu dokumentieren.
Nähere Informationen hierzu erhalten Sie von Ihrer zustän­digen Unteren Wasser­behörde, Sach­verständigen­organisationen, Güte- und Über­wachungs­gemein­schaften oder von nach WHG zerti­fizierten Fach­betrieben.
Die Lagerfläche muss den betriebstechnischen Anforderungen genügen und die Behälter dicht verschlossen, gegen Witterungs­einflüsse geschützt und stoffbeständig sein. Bei Mengen über 1000to müssen Lager bei der Behörde angezeigt werden.
Als Stoff/Produkt der WGK 1 erfordert die La­ge­rung von mehr als 100 t je Lagerabschnitt eine Lösch­wasser-Rück­halte­anlage.
Bei Zusammenlagerung wassergefähr­den­der Stoffe/Pro­dukte unter­schied­licher WGK muss die Men­ge mit Hilfe einer Umrechnungsregel er­mittelt werden.